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Kleidertauschparty im Sommer 2019

Eindrücke von der Kleidertauschparty und Fakten über unsere Kleidung

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  • Beitrag zuletzt geändert am:16. August 2019

Eindrücke von der Kleidertauschparty im Jim & Joe

Die erste Kleidertauschparty von Ratingen.nachhaltig fand am 10. August 2019 in Kooperation mit dem Bistro Jim & Joe im Arkadenhof in Ratingen-Mitte statt.

Geschätzte 200 Besucher*innen sind vorbeigekommen, um ehemalige Lieblingsstücke aus ihrem Kleiderschrank abzugeben und auf der Tauschfläche Neue zu finden. War während des Aufbaus der starke Wind noch ein Problem, so konnten sich die Besucher*innen später an einem warmen Sommerabend erfreuen, der noch durch die spontane Live Performance einer Band vom Balkon des Nachbarhauses begleitet wurde. Bei einem Glas Wein oder hausgemachter Limonade kam eine entspannte Atmosphäre auf, die für viel Lob für die Organisator*innen sorgte.

Besonders erfreulich war die generationenübergreifende Teilnahme, die sich in den Kleidungsstücken auf der Tauschfläche wiederspiegelte: von Kinderkleidung über Yogahosen, Abendkleider, Jeansjacken, Strickpullover, Businessmode, Blazer und Schuhe war alles zu finden – und die Teilnehmer*innen tauschten sich altersübergreifend über die Fundstücke aus.

Auch der Ablauf funktionierte mit einigen Erklärungen reibungslos: Die Besucher*innen gaben bis zu fünf Kleidungsstücke am Eingang ab, die von den ehrenamtlichen Organisator*innen auf Kleiderbügel gehangen und an den entsprechend markierten Kleiderständern aufgehängt wurden. Währenddessen durften die Tauschwilligen schon anfangen zu stöbern und so viele Kleidungsstücke mitnehmen, wie sie wollen. Es wurden viele neue Lieblingstücke gefunden und viele Teilnehmer*innen berichteten, es freue sie sehr, zu sehen, dass ihre mitgebrachten Kleidungsstücke anderen wieder eine Freude machen. Auch der Nachhaltigkeitsgedanke, nicht ständig neue Kleidungsstücke zu kaufen und somit Ressourcen zu schonen, wurde häufig angesprochen und diskutiert. Insgesamt wurde gewünscht, häufiger solche Veranstaltungen durchzuführen.

Wir bedanken uns bei Jim & Joe für die Gastfreundschaft und allen Besucher*innen und werden zeitnah über den nächsten Termin informieren!

Kommentar: Warum unser derzeitiger Kleidungskonsum nicht nachhaltig ist

Ratingen.nachhaltig spricht sich für einen fairen, sozial- und umweltverträglichen nachhaltigen Kleidungskonsum aus. Derzeit landen 80 Prozent der Altkleider in der EU im Hausmüll. Eine unglaubliche Ressourcenvernichtung!

Nach einer Greenpeace-Verbraucherumfrage besitzt jeder Erwachsene in Deutschland zwischen 18 und 69 Jahren im Schnitt 95 Kleidungsstücke, was etwa 5,2 Milliarden Kleidungsstücke allein in Deutschladn sind. Frauen besitzen mit durchschnittlich 118 Kleidungsstücken mehr als Männer mit durchschnittlich 73 Kleidungsstücken. Erschreckendes Element der Umfrage: Jedes fünfte Kleidungsstückstück (19 Prozent) wird gekauft und so gut wie nie getragen, was die unvorstellbare Menge von einer Milliarde ungenutzter Kleidungsstücke allein in Deutschland ausmacht. Dabei werden besonders Schuhe, Oberteile und Hosen häufig ersetzt. Die Befragten gaben an, zwei von drei heilen, brauchbaren Kleidungsstücken auszusortieren, weil sie nicht mehr in Mode sind, sie sie nicht mögen, nicht mehr der passende Stil sind oder einfach Platz im Kleiderschrank geschaffen werden muss.

Greenpeace Deutschland zeigt in einer repräsentativen Umfrage aus Jahr 2015 auf, dass Bundesbürger*innen zwischen 18 und 69 Jahre zirka 95 Kleidungsstücke besitzen (Greenpeace 2015).
Greenpeace Deutschland zeigt in einer repräsentativen Umfrage aus Jahr 2015 auf, dass Bundesbürger*innen zwischen 18 und 69 Jahren durchschnittlich 95 Kleidungsstücke besitzen. Damit existieren alleine in Deutschland über fünf Milliarden Kleidungsstücke. Circa eine Milliarde davon werden nicht oder kaum genutzt (Greenpeace 2015).

Es wurde auch gefragt, welche nachhaltigen Konsummuster, wie etwa Reparatur und Kleidertausch, Konsumenten*innen an den Tag legen: Erschreckend wenig. Gut 83 Prozent der Befragten gaben an, Kleidung noch die getauscht, 73 Prozent diese noch nie selber hergestellt zu haben, die Hälfte Kleidung noch nie und nur jede*r Siebte Kleidung in der jüngeren Vergangenheit repariert zu haben. Unter den 18 bis 29-Jährigen haben 58 Prozent der Befragten noch nie eine* Schuster*in aufgesucht. Bei einem Drittel der Befragten ist der Preis das hauptsächliche Kriterium für die Kaufentscheidung. Nur jeder Vierte gab an, das Siegel über Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle spielen. Dagegen spricht sich die Hälfte der Befragten für faire, sozialverträgliche und umweltschonende Qualitätsstandards aus. Ein Widerspruch?

Kleidungsmitproduktion: Kein sauberes und nachhaltiges Geschäft

Große Modeketten werben mit Nachhaltigkeitsstrategien und Recycling und beruhigen so das Gewissen ihrer Konsument*innen. Expert*innen gehen aber davon aus, dass Recyclingprozesse mit geschlossen Kreisläufen in der Kleidungsindustrie noch absolutes Wunschdenken sind. Derzeit stammen die meisten Recyclingfasern für Polyester und andere andere synthetisch hergestellte Materialien von PET-Flaschen aus der Getränke- und Lebensmittelindustrie, die mit dieser Agrumentationsgrundlage den dort übermäßigen Plastikanteil/-verbrauch nicht schnell genug abbauen wird. Ratingen.nachhaltig ist der Meinung, dass die Kleidungsmittelindustrie ihre eigenen Stoffstromkreisläufe schließen muss, um ansatzweise nachhaltige Kleidung produzieren zu können.

Geschätzter Anstieg der verbrauchten Faser-Materialien der Kleidungsindustrie in Millionen Tonnen bis 2030 (Quelle Greenpeace (2017a))

Weitere Probleme sind der immer größerer werdende Anteil von Kunstfasern, der in Zukunft noch weiter ansteigen wird. Diese Kunstfasern, wie Polyester, setzen durch die Reinigung in der Waschmaschine und schlechte Entsorgungsprozesse massiv Mikroplastik frei. Gerade die synthetischen Kunstfasern sind Treiber unseres derzeitigen Wegwerfmodells. Zudem verbraucht ihre Herstellung große Mengen an fossilen Energieträgern, die wiederum eine hohe CO2-Belastung mit sich bringen. Das Magazin nature veröffentlichte 2018 den Bericht The price of fast fashion, laut dem die Textilproduktion schätzungsweise 1,2 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr produziert, was mehr Emissionen bedeutet als alle internationale Flüge und die Seeschifffahrt zusammen und 5 Prozent der globalen Gesamtemissionen ausmacht. Kleidung wird zu großen Teilen in Ländern produziert, die den Großteil der für die Industrie benötigten Energie aus Kohlekraftwerfen bezieht.

Alternativen wie Biobaumwolle, die eine sehr gut Ökobilanz aufweist und große Vorteile gegenüber konventioneller Baumwolle hat (dazu 10 Fakten zu Bio-Baumwolle von Utopia), sind weiterhin eine Nische. Das Umweltbundesamt schätzt in seiner Broschüre Grüne Produkte in Deutschland 2017, dass das Siegel GOTS, was biozertifizierte Baumwolle ausweist, nur 0,5 Prozent am Gesamtmarkt ausmacht. Den Fast-Fashion-Hype mit Biobaumwolle zu befriedigen, scheint absolut illusorisch. Auch die aus Holz hergestellte Faser Viskose ist kritisch zu sehen. Die Produktion benötigt einen hohen Energie- und Chemikalieneinsatz. Außerdem stehen natürliche Primär- und Sekundärwälder schon heute unter massiven Druck, etwa durch den Sojaanbau in Lateinamerika oder den Palmölanbau im asiatischen Raum. Holzplantagen scheinen hier kein bessere Alternative zu Baumwollfeldern zu sein.

Aus diesen Gründen ist es umso notwendiger, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren, die die weggeworfene Menge an Kleidungsstücken erheblich reduziert, eine faire, nachhaltige, sozial- und umweltschonende Produktion garantiert und Konsummuster zu weniger und hochwertigen und qualitativ langlebigen Kleidungsstücken verändert. Hierbei spielen das Design und die Reparaturfähigkeit eine besonders große Rolle.

Eine nachhaltige Kleidungsindustrie ist ein wichtiger Baustein bei Erreichung der Agenda 2030 Ziele

Produzenten*innen von Kleidung und Mode sowie deren Konsumenten*innen können ebenso ihren Beitrag zur Erreichung der Agenda 2030-Ziele leisten. Gerade Arbeiterinnen im asiatischen und afrikanischen Raum leiden unter den schlechten Arbeitsbedingungen (SDG 3 – Gesundheit und Wohlergehen).

Die schlechten Arbeitsbedingung in Kleidungsindustrie sind Schwerpunktthema der diesjährigen Fairen Woche, die Ratingen.nachhaltig zusammen mit der Stadt Ratingen organisiert.

Durch mangelnde Bildung (SDG 4 – Hochwertige Bildung) sind meistens Frauen und Mädchen gezwungen, in der schlecht bezahlten Kleidungsindustrie zu arbeiten (SDG 5 Geschlechtergerechtigkeit). Dabei musst der Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette gerichtet werden. Vom Pflügen von Baumwolle über den Transport (SDG 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz), über das Nähen der Kleidung bis hin zum Verkauf. Die Umstellung auf die in der Produktion teurere Biobaumwolle ist der konventionellen Baumwolle in vielen Bereichen überlegen und spricht eine Reihe von SDGs an: Weniger CO2-Ausstoß (SDG 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz) , weniger Wasserverbrauch (SDG 14 – Leben unter Wasser), weniger chemischer Pestizideinsatz und weniger chemische Belastung des Bodens sowie der Ober- und Grundwasserkörper (SDG 3 – Gesundheit und Wohlergehen, SDG 8 – Menschwürdige Arbeitsbedingungen, SDG 14 – Leben unter Wasser, SDG 15 Leben an Land), Verbot von genetisch veränderter Baumwolle (SDG 12 – Nachhaltige Produktion), Schutz des Bodens (SDG 15 – Leben an Land), Förderung von Kleinbauern und fairen Handelsbeziehungen (SDG 10 – Weniger Ungleichheit, SDG 12 Nachhaltige Produktion, SDG 16 – Frieden und Gerechtigkeit). Auch unserer Konsum ist nicht ohne Belange. Wenn wir auf nachhaltige Labels achten (Siegelklarheit kann hier etwas Licht ins Dunkle bringen), weniger und qualitativ hochwertiger konsumieren, mit fair gehandelten Materialien, sprechen wir beim Kauf direkt das SDG 12 – Nachhaltige/r Produktion und Konsum und indirekt die oben aufgelisteten SDGs an. Sollte die Stadt Ratingen nachhaltige Modegeschäfte und Unternehmen bei der Ansiedlung unterstützen, würden die SDG 9 – Industrie, Innovation und Infrastruktur sowie das für die Stadt wichtig SDG 11 – Nachhaltige Städte angesprochen werden. Die Verringerung von synthetischen Fasern würde direkt das SDG 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz betreffen. Da synthetischer Polyester und Co. als Grundelement für unser heutiges Fast-Fashion-Wegwerfmodell stehen, würde eine Reduktion und die Umstellung auf nachhaltige Faser-Materialien die oben genannten SDGs positiv beeinflussen. Wie man sieht, hat die Kleidungsindustrie einen ziemlich großen Einfluss auf die Agenda 2030-Ziele- zum Negativen wie zum Positiven.

Quellen:
Greenpeace (2017a): Modebranche am Scheideweg
Greenpeace (2017b): Mikrofasern: Gefahr aus dem Kleiderschrank
Greenpeace (2015): Wegwerfware Kleidung: Repräsentative Greenpeace-Umfrage zu Kaufverhalten, Tragedauer und der Entsorgung von Mode
nature climate change (2018): The price of fast fashion
Umweltbundesamt (2017): Grüne Produkte in Deutschland 2017: Marktbeobachtungen für die Umweltpolitik
Utopia (2019): 10 Fakten: Was du über (Bio-)Baumwolle wissen solltest

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