Nachhaltigkeit. Mittlerweile findet sich der Begriff in allen möglichen Zusammenhängen, sei es als Beschreibung in der Wirtschaft oder in der Werbung für Flugreisen. Und jetzt auch noch in unserem Namen! Aber was bedeutet das eigentlich?
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und beschreibt das Problem, dass mehr Bäume abgeholzt werden als nachwachsen können. Im Jahr 1713 wurde dies von Hans Carl von Carlowitz, einem sächsischen Oberberghauptmann, in seiner Schrift Sylvicultura oeconomicaniedergeschrieben. Gleichzeitig fordert er dort, dass nach Alternativen zum Holz gesucht werden solle, da dieses bereits zu jener Zeit in großen Mengen benötigt wurde.
Den nächsten öffentlichen Auftritt hatte das Prinzip der Nachhaltigkeit 1972 im Bericht des Club of Rome, welcher fordert, die Grenzen des Wirtschaftswachstums im Rahmen der natürlichen Ressourcen zu erkennen und aktiv zu werden. 1987 veröffentlichten die Vereinten Nationen den bekannten Brundtland-Bericht Our common future, in dem es heißt:
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“
Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Vereinte Nationen, Brundtland-Bericht 1972
Kurz gesagt: Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir heute so leben, dass auch unsere Kinder, Enkelkinder und alle nachfolgenden Menschen noch so gut leben können wie wir heute – dass sie eine saubere Umwelt, genügend Nahrung, Ressourcen und ein friedliches Miteinander haben.
In den folgenden Jahren wurden verschiedene Modelle erstellt, um dieses Prinzip zu visualisieren und aufzuzeigen, welche Bereiche bei einem nachhaltigen Verhalten zu beachten sind. Das bekannte 3-Säulen-Modell des Deutschen Bundestags von 1994 zeigt hierbei die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales, auf denen als Dach der Begriff „Nachhaltigkeit“ ruht. Es ist sicherlich wichtig, diese drei Dimensionen zu beachten, wenn man etwas nachhaltig angehen möchte – angesichts der teils weitreichenden Veränderungen in unserer Umwelt, die unserem Umgang mit Ressourcen geschuldet sind, hat sich jedoch in letzter Zeit ein anderes Modell etabliert. Das Konzept der Planetaren Grenzen zeigt auf, dass alles menschliche Handeln an den ökologischen Grenzen unseres Planeten auszurichten ist. Es ist von über 40 international führenden Wissenschaftler*innen erstellt worden und zeigt die Grenzen messbarer Umweltverschmutzungen in Bereichen wie Versauerung der Meere, Verschmutzung der Atmosphäre, Rückgang der Biodiversität, Eintrag von Stickstoff und Phosphor in die Böden und andere kritische Bereiche unserer Umwelt auf. In vier Bereichen sind diese Grenzen bereits überschritten, so dass ein Umdenken und Handeln dringend nötig ist.
Kurz gesagt: Unser Planet hat biologische Grenzen. Diese sollten wir einhalten.
Das „alte“ Modell der drei Dimensionen ist deshalb verworfen worden, weil es eigentlich nicht mehr aussagt als dass Nachhaltigkeit ein Suchprozess sei, in dem viele verschiedene Akteur*innen umwelt-, sozial- und wirtschaftspolitische Ziele aushandeln, wobei Wechsel- und Nebenwirkungen beachtet werden. Von Grenzen, innerhalb derer sich diese politischen Ziele oder ihre Folgen befinden müssen, ist dort jedoch keine Rede. Wenn jemand sein Handeln nach dem Konzept der planetaren Grenzen ausrichtet, heißt dass, er oder sie vertritt eine starke Nachhaltigkeit. Auch die ursprüngliche Bezeichnung der Vereinten Nationen (s.o.) ist eigentlich ein Konzept der starken Nachhaltigkeit: Nur wenn wir die planetaren Grenzen einhalten, können zukünftige Generationen noch so gut leben, wie wir heute.
Jetzt aber mal Butter bei die Fische: Was hat das mit uns in Ratingen zu tun?
Die Vereinten Nationen haben 2015 die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung verabschiedet, um genau das, was oben erklärt wird, zu erreichen: Allen Menschen auf der Welt heute und in Zukunft ein gutes, gesundes, friedliches und zukunftsfähiges Leben zu ermöglichen. Uns geht es in Ratingen im Vergleich zu anderen Menschen in anderen Regionen der Welt objektiv gesehen sehr gut: Wir haben genügend Nahrung, Schulen und Lehrer*innen, eine funktionierende Infrastruktur und können fast alle unserer Bedürfnisse erfüllen. Wir leben in einem sicheren Land und können demokratisch unsere Regierung wählen.
Aber trotz dieser ganzen Vorteile und Privilegien passieren auch hier Dinge, die das Leben in Zukunft erschweren könnten: Der Klimawandel zeigt sich durch immer stärkere Extremwetterereignisse wie Hitzesommer und Überflutungen, durch steigende Temperaturen können sich Schädlinge und Pflanzen viel schneller ausbreiten und tauchen in Gebieten auf, in denen sie vorher nicht überleben konnten. Unsere Atemluft wird zunehmend mit Schadstoffen belastet und die Reinigung unseres Trinkwassers durch hohe Nitratmengen im Grundwasser immer teurer. Deutschland erlebt ein extremes Insektensterben, das die Zukunft unserer Landwirtschaft bedroht. Immer wieder werden Lebensmittel und Tiere aufgrund wirtschaftlicher Zwänge mit Antibiotika und Pestiziden behandelt, die wir dann in unserer Nahrung finden. Und wer hat sich bei einem Strandspaziergang im Urlaub nicht schon mal über den ganzen angespülten Müll geärgert?
Auch wir in Ratingen, in Deutschland, in Europa haben einen Einfluss auf das Weltgeschehen. Auch wir können uns nachhaltig verhalten und unsere Politiker*innen dazu auffordern, unsere Städte und Länder zukunftsfähig zu machen. Verhalten wir uns also so, dass unsere Kinder und Enkelkinder und deren Kinder und Enkelkinder und deren Kinder und und und … auch noch in einem lebenswerten, bunten Ratingen leben können!
Was nachhaltiges Verhalten für jede*n einzelne*n von uns bedeutet, werde ich in einem anderen Beitrag beschreiben. Ideen und Anregungen dazu können aber gerne schon per Kommentar kommen!
Quellenangaben für diesen Beitrag:
Meadows et al. (1972):Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Hg. v. Dennis L. Meadows. Stuttgart. ; Ott (2009):Leitlinien einer starken Nachhaltigkeit. Ein Vorschlag zur Einbettung des Drei-Säulen-Modells. In: GAIA 18 (1), S. 25–28. ; Ott et al. (2016):Handbuch Umweltethik. Stuttgart: J.B. Metzler.; PiK (2015): Planetarische Grenzen: Ein sicherer Handlungsraum für die Menschheit. Online verfügbar unter https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2009/planetarische-grenzen-ein-sicherer-handlungsraum-fuer-die-menschheit ; Rockström et al. (2015): Sustainability. Planetary boundaries. Guiding human development on a changing planet. In: Science (New York, N.Y.) 347 (6223), S. 1259855. ; UN (1987):Our common future. Hg. v. United Nations. World Commission on Environment and Development. New York. Online verfügbar unter http://www.un-documents.net/our-common-future.pdf
Geboren 1991 in Ratingen. M.Sc. Geographie und Nachhaltigkeitswissenschaften. Mitgründerin von Ratingen.nachhaltig e.V. Wissenschaftlerin und Unternehmerin @fijnwerk_ratingen. Zukunftsmacherin. eMail